Betriebsratsanhörung

Besteht im Betrieb des zu kündigenden Arbeitnehmers ein funktionsfähiger Betriebsrat, muss ihn der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung anhören, § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Eine Kündigung ohne vorherige ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung ist unwirksam. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist der Personalrat zu beteiligen. Selbst in Eilfällen (fristlose Kündigung) muss der Betriebsrat grundsätzlich vor Ausspruch der Kündigung angehört werden.

Da die Pflicht zur Anhörung des Betriebsrates bzw. des Personalrates aus dem Betriebs- bzw. Personalverfassungsgesetz folgt, kommt es nicht darauf an, ob zugunsten des Arbeitnehmers das Kündigungsschutzgesetz eingreift. Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören, also insbesondere bei:

  • einer Kündigung vor Arbeitsantritt
  • einer Kündigung in der Probezeit
  • einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung
  • einer ordentlichen Kündigung
  • einer personenbedingten Kündigung
  • einer verhaltensbedingten Kündigung
  • einer betriebsbedingten Kündigung
  • einer Änderungskündigung
  • einer Massenkündigung

Unerheblich ist ferner die Art des Arbeitsverhältnisses. Der Betriebsrat muss zu jeder Kündigung eines Arbeitsverhältnisses angehört werden, unter anderem auch bei

  • einem befristeten Arbeitsvertrag
  • Teilzeitarbeit
  • einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis („400-Euro-Jobs“)

Ausnahmen: Vor der Kündigung eines leitenden Angestellten muss der Betriebsrat dagegen nicht angehört werden (LAG Hannover, Teilurteil vom 14.04.2011, 16 Sa 560/10 E – Rn 69). Denn gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG findet das Betriebsverfassungsgesetz für leitende Angestellte keine Anwendung, es sei denn, es ist im Gesetz ausdrücklich etwas anderes bestimmt (was bei § 102 BetrVG jedoch nicht der Fall ist). Ferner ist der Betriebsrat nicht zu beteiligen, wenn das Arbeitsverhältnis auf andere Art und Weise beendet wird, etwa aufgrund von Befristung oder durch Anfechtung des Arbeitsvertrages.

Die Anhörung des Betriebsrats muss stets vor Ausspruch der Kündigung erfolgen. Die nachträgliche Anhörung des Betriebsrats verhilft  einer bereits ausgesprochene Kündigung nicht mehr zur Wirksamkeit. Auch die Zustimmung des Betriebsrates kann eine fehlerhafte Anhörung nicht heilen. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht gehindert, den Betriebsrat ein weiteres Mal anzuhören und dann eine erneute Kündigung auszusprechen – sofern er nicht aus anderen Gründen (etwa § 626 II BGB für die außerordentliche Kündigung) daran gehindert ist.

Die Anhörung des Betriebsrats darf nicht vorzeitig erfolgen (so genannten Voratsanhörung). Unwirksam ist eine Kündigung , die zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Arbeitgeber noch gar nicht kündigen will (etwa wenn die Kündigung noch von eine Einigung über einen Interessenausgleich oder oder Sozialplan abhängt – BAG, Urteil vom 27.11.2003, 2 AZR 654/02– Gründe B I.) oder noch gar nicht kündigen kann (etwa weil das erwartete Fehlverhalten noch nicht eingetreten ist – BAG, Urteil vom 19.01.1983, 7 AZR 514/80).

Ist dagegen vor Ausspruch der Kündigung noch die Zustimmung der zuständigen Behörde (Schwangere, Schwerbehinderte, etc.) einzuholen, so muss der Arbeitgeber mit der Anhörung des Betriebsrates nicht so lange warten, bis die Zustimmung vorliegt. Auch muss er nach Erteilung der Zustimmung den Betriebsrat nicht noch ergänzend anhören (BAG, Urteil vom 22.04.2010, 2 AZR 991/08 – Rn 18).

Inhalt der Anhörung

Zur Anhörung des Betriebsrats gehört zunächst einmal die Mitteilung der Kündigungsabsicht. Nicht ausreichend ist die bloße Mitteilung eines Fehlverhaltens bzw. die Übermittlung einer Abmahnung. Es muss der zu kündigende Arbeitnehmer identifizierbar sein und es muss – je nach Art der Kündigung – alles mitgeteilt werden, was diese Kündigung stützt.

Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitteilen, damit der Betriebsrat in der Lage ist, sich eigene Gedanken über die Kündigung zu machen und diese gegebenenfalls dem Arbeitgeber mitteilen kann. Informationen, die dem Betriebsrat bereits bekannt sind, müssen nicht noch einmal ausdrücklich mitteilt werden. Auch muss der Arbeitgeber die Anhörung nicht schriftlich durchführen (BAG, Urteil vom 05.04.2001, 2 AZR 580/99 – II.3.c. der Gründe) . Allerdings trägt er dann im Streitfall die volle Darlegungs- und Beweislast für eine hinreichende Anhörung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 27.06.1985, 2 AZR 412/84). Im Einzelnen:

Allgemeine Informationen zum Arbeitnehmer

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat zunächst über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers informieren (Massenentlassungen!). Folgende Informationen sind erforderlich:

  • Vor- und Nachname des zu kündigenden Mitarbeiters
  • Grundlegende Sozialdaten: Alter, Familienstand, Zahl der Kinder, Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Besondere Umstände, sofern für den Kündigungsschutz bedeutsam (z.B. Schwangerschaft, Schwerbehinderung, Elternzeit, Pflegezeit, Betriebsbeauftragter, etc.)

Sind dem Betriebsrat die personenbezogenen Informationen nicht vollständig mitgeteilt worden, ist die Betriebsratsanhörung möglicher Weise fehlerhaft und die entsprechende Kündigung unwirksam. Nicht erforderlich ist die Anschrift des Arbeitnehmers, so dass eine fehlerhaft mitgeteilte Anschrift ohne Folgen bleibt.

Informationen zur Kündigung

Neben der Information zur Person des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber weitere Information zur Kündigung geben. Dazu gehören:

  • Art der auszusprechende Kündigung (z.B.: ordentliche / außerordentliche Kündigung, Änderungskündigung)
  • Kündigungsfrist
  • beabsichtige Kündigungstermin
  • bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ob es sich um eine personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Kündigung handelt

Informationen zum Kündigungsgrund – subjektive Determination

Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Bei der Mitteilung der Kündigungsgründe gilt der so genannte Grundsatz der „subjektiven Determination“. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nur diejenigen Gründe mitteilen, die aus seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Der Arbeitgeber kann sich damit selbst beschränken und steuern, was als Begründung der Kündigung dienen soll und was gegebenenfalls zum Gegenstand des Kündigungsschutzprozesses wird.

Werden also dem Betriebsrat bestimmte Tatsachen nicht mitgeteilt, führt dieses nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Betriebsratsanhörung und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung. Vielmehr geht der Arbeitgeber ein Risiko ein: Tatsachen, welche er dem Betriebsrat nicht oder nicht rechtzeitig genug mitgeteilt hat, können vom ihm nicht mehr erfolgreich in den Kündigungsschutzprozess eingeführt werden. Der Arbeitgeber läuft also Gefahr, einen Kündigungsschutzprozess zu verlieren, den er möglicher Weise unter Berufung auf einen anderen Kündigungsgrund (Verdachtskündigung statt Tatkündigung) gewonnen hätte. (Rechtsprechung zum Stichwort „subjektive Determination“ finden Sie hier).

Auch wenn es dem Arbeitgeber vorbehalten bleibt, auf welche Gründe er die Kündigung stützen möchte und danach seine Anhörung ausrichtet, so muss er jedoch den Betriebsrat stets wahrheitsgemäß und vollständig zu dem beabsichtigten Kündigungsgrund informieren.

Der Betriebsrat muss durch die Unterrichtung in die Lage versetzt werden, sich hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Kündigung ein eigenes Bild zu machen, ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen.

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