Betriebliche Funktionsträger haben Sonderkündigungsschutz nach den Vorschriften der §§ 15 KSchG, 103 BetrVG. Danach ist die Kündigung eines
- Mitglieds eines Betriebsrats,
- einer Jugend- und Auszubildendenvertretung,
- einer Bordvertretung oder eines
- Seebetriebsrats
im Grundsatz unzulässig.
Der Kündigungsschutz gilt für die Dauer der Amtszeit und hält nach Ende der Amtszeit noch weitere 12 Monate (im Fall der Bordvertretung 6 Monate) an (nachwirkender Kündigungsschutz).
Gewählte Ersatzmitglieder kommen allerdings erst in dem Moment in den Genuß des Sonderkündigungsschutzes, in dem sie für einen ausgeschiedenen Betriebsrat in das Amt nachrücken oder ein zeitweilig verhindertes Mitglied des Betriebsrates vertreten. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Betriebsrat urlaubsbedingt abwesend ist, ohne dass es für das Ersatzmitglied darauf ankommt, ob in dieser Zeit tatsächlich Amtsgeschäfte anstehen (BAG, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 388/10 – Rn 33). Nachwirkender Kündigungsschutz besteht dagegen nur dann, wenn das Ersatzmitglied tatsächlich eine Betriebsratstätigkeit erbracht hat (BAG, Urteil vom 19.04.2012, 2 AZR 233/11 – Rn 44 ff.). Das muss bei einer nur kurz andauernden Vertretung nicht immer der Fall sein.
Wahlbewerber, Wahlvorstand und die Initiatoren der Wahl
Des Weiteren wird der Sonderkündigungsschutz auf diejenigen Personen ausgedehnt, die sich bei Betriebsratswahlen um das Amt des Betriebsrates bewerben (Wahlbewerber- BAG, Urteil vom 19.04.2012, 2 AZR 299/11– Rn 9; Urteil vom 07.07.2011, 2 AZR 377/10) bzw. die die Wahl eines Betriebsrates organisieren (Wahlvorstand) oder dazu einladen (Initiatoren der Wahl – BAG, Urteil vom 26.11.2009 – 2 AZR 185/08 – Rn. 18). Für diesen Personenkreis endet allerdings der Sonderkündigungsschutz mit der Verkündung des Wahlergebnisses und es schließt sich ein nachwirkender Kündigungsschutz von 6 Monaten an. Ist das Ergebnis der Betriebsratswahl nicht formell verkündet worden, hat jedoch der Betriebsrat seine Arbeit aufgenommen, so endet der Sonderkündigungsschutz des Wahlvorstandes oder des Wahlbewerbers zu diesem Zeitpunkt (BAG, Urteil vom 05.11.2009, 2 AZR 487/08 – Rn 23, LAG Hamm, Urteil vom 15.04.2011, 13 Sa 116/11).
Dagegen soll der Wahlbewerber für den Wahlvorstand (welcher dann die Betriebsratswahl organisiert) noch keinen besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 KSchG genießen, wie das LAG Hamm entschieden hat (LAG Hamm, Urteil vom 15.03.2013, 13 Sa 6/13 – Rn 50f. – noch nicht rechtskräftig).
Fristlose Kündigung – Zustimmung des Betriebsrats
Ausnahmsweise ist eine Kündigung während der Amtszeit zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen. In diesen Fällen muss zusätzlich der Betriebsrat oder der Personalrat der Kündigung zugestimmt haben oder es muss die Zustimmung durch eine arbeitsgerichtliche Entscheidung ersetzt worden sein, § 103 BetrVG (BAG, Urteil vom 08.09.2011, 2 AZR 388/10 – Rn 21). Kündigen kann der Arbeitgeber erst dann, wenn der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung tatsächlich zugestimmt hat oder eine zustimmende Entscheidung des Arbeitsgerichts rechtskräftig geworden ist (BAG, Urteil vom 09.07.1998 – 2 AZR 142/98 ; BAG, Urteil vom 24.11.2011, 2 AZR 480/10 Rn 15 – für den Personalrat). Eine vor der Zustimmung des Betriebsrats bzw. vor Rechtskraft der arbeitsgerichtlichen Entscheidung erklärte Kündigung ist und bleibt nichtig.
Rechtsprechung zur Zustimmungsersetzung finden Sie hier
Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung muss binnen der Zwei-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingeholt werden bzw. es muss binnen dieser Frist die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragt worden sein. Angesichts der Tatsache, dass der Betriebsrat eine dreitägige Äußerungsfrist hat, sollte spätestens am 10ten Tag nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund die Zustimmung des Betriebsrates beantragt werden. Muss der Arbeitgeber eine verweigerte Zustimmung beim Arbeitsgericht erstreiten, so kann er im laufenden Verfahren noch weitere Gründe nachschieben (BAG, Beschluss vom 23.04.2008, 2 ABR 71/07 – Rn 25), sofern er zu diesen Gründen den Betriebsrat ebenfalls gehört hatte.
Nach Ende der Amtszeit ist während des nachwirkenden Kündigungsschutzes eine Zustimmung des Betriebsrates nicht mehr erforderlich, es reicht aus, wenn der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG zur außerordentlichen Kündigung gehört worden ist.
Wichtiger Grund – Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten
Einem amtierenden Betriebsrat kann stets nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Wird dem Betriebsrat ein Verhalten zum Vorwurf gemacht, welches im Zusammenhang mit seiner Amtsausübung steht, so ist zu unterscheiden. Eine bloße Verletzung von Amtspflichten reicht als Grund für eine außerordentliche Kündigung nicht aus. Sie kann nur ein Ausschlussverfahren nach § 23 BetrVG rechtfertigen (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.09.2011, 17 Sa 16/11 – Rn. 36). Erforderlich ist daher eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG, Urteil vom 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Rn. 30). Allerdings kann in derVerletzung von Amtspflichten zugleich auch der Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten liegen.
Unzumutbarkeitsprüfung
Keine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist
Hat der Betriebsrat der Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zugestimmt und liegt an sich ein Grund zur Kündigung vor, so kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung darauf an, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der fiktiven Kündigungsfrist unzumutbar ist (BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 821/06 – 17 f.) – nur dann kann gekündigt werden.
Führt dagegen die Abwägung der gegenseitigen Interessen zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitgeber die Einhaltung der fiktiven (!) Kündigungsfrist (also derjenigen Kündigungsfrist, die gelten würde, wäre der Betriebsrat kein Betriebsrat) zumutbar ist, so scheidet damit eine außerordentliche Kündigung automatisch aus. Es ist also nicht mehr zu prüfen, ob womöglich – wie in anderen Fällen einer Unkündbarkeit – eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist (berechnet nach der fiktiven Kündigungsfrist) in Betracht kommt (BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 821/06 – 26 f.). Das gilt uneingeschränkt für eine verhaltensbedingte Kündigung des Betriebsrats (BAG, Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 821/06 – 28).
Aus diesem Grund kann eine unwirksame außerordentliche Kündigung auch nicht gemäß § 140 BGB in eine vermeintlich mildere ordentliche Kündigung umgedeutet werden (BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11 – Rn 12).
Anderes kann allerdings im Falle einer betriebsbedingten Kündigung gelten, wie die Regelungen des § 15 Abs. 4 und 5 BetrVG zeigen (offen gelassen in BAG, Urteil vom 21.06.2012, 2 AZR 343/11 – Rn 17 ff.).
Betriebsstilllegung – Stilllegung einer Betriebsabteilung
Soll während der Amtszeit des Betriebsrates der Betrieb stillgelegt werden, so kommt aus diesem Grund auch eine ordentliche Kündigung des Betriebsrates in Betracht. Da es sich dann um eine ordentliche Kündigung des Betriebsrates handelt, muss zwar der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG angehört werden, er muss der Kündigung aber nicht zustimmen, (BAG, Urteil vom 23.02.2010, 2 AZR 656/08 – Rn 20). Das gilt auch bei einer Teilbetriebsstilllegung. Kann bei der Stilllegung einer Betriebsabteilung der Betriebsrat nicht in einer anderen Abteilung beschäftigt werden, so kommt ebenfalls eine ordentliche Kündigung in Betracht. Eine höherwertige Tätigkeit muss dem Betriebsrat in diesem Zusammenhang nicht angeboten werden.
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Rechtsprechung zum Sonderkündigungsschutz für den Betriebsrat