Beweisverwertungsverbot bei heimlichen Videoaufzeichnungen

Heimliche Videoaufnahmen beschäftigen zunehmend die Arbeitsgerichte. Im Kündigungsschutzprozess stellt sich immer wieder die Frage, ob vom Arbeitgeber heimlich erstellte Videoaufnahmen geeignet sind, Beweis über eine Verfehlung des Arbeitnehmers zu erbringen. Einmal abgesehen von den Beteiligungsrechten des Betriebsrats geht es um die Frage, ob eine Verletzung der Vorschrift des § 6b BDSG zu einem Beweisverwertungsverbot führt und wie weit dieses gegebenenfalls reicht.

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hat in einer sehr lesenswerten Entscheidung vom 03.05.2011 (ArbG Düsseldorf 11 Ca 7326/10 – Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.05.2011) die Frage im Sinne eines Beweisverwertungsverbots beantwortet. Geklagt hatte der Arbeitnehmer einer Brauerei, dem wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten beim Getränkeausschank gekündigt worden war. Der Arbeitgeber wollte dieses unter anderem mittels heimlich gefertigter Videoaufzeichnungen nachweisen. Das Arbeitsgericht hat eine Verwertung von Videoaufzeichnung zu Beweiszwecken abgelehnt, da mangels eines hinreichenden Verdachts gegen den Arbeitnehmer eine heimliche Videoüberwachung unzulässig war. § 6b BDSG bestimmt:

§ 6b Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.
(3) Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist. (…).

.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage, ob aus § 6b BDSG ein Beweisverwertungsverbot folgt, noch nicht entschieden. Denn in einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 (BAG, Urteil vom 27.03.2003, 2 AZR 51/02) stand die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot (noch) nicht an. Und in der Entscheidung vom 16.12.2010 (BAG, 2 AZR 485/08) ist das Bundesarbeitsgericht ohne die datenschutzrechtliche Problematik zu vertiefen, davon ausgegangen, eine heimliche Videoaufzeichnung bleibe für den Arbeitgeber im Ergebnis ohne Konsequenzen, wenn der Arbeitnehmer den Verdacht oder sogar die Tat vor dem Hintergrund der Videoaufzeichnungen nicht (mehr) konkret bestreiten würde! Denn, so das Bundesarbeitsgericht, alles was zugestanden bzw. streitlos gestellt werde, müsse nicht mehr bewiesen werden – es wäre sogar ein Verfahrensfehler, wenn die Gerichte einen Beweis verlangen würden (vgl. dazu BAG, Urteil vom 13.12.2007, 2 AZR 537/06 – Taschenkontrolle).

Genau an diesem Punkt setzt eine in der Literatur vertretene Gegenauffassung an. Sie kritisiert, dass ohne ein Beweisverwertungsverbot von Videoaufzeichnungen, die unter Verstoß von § 6b BDSG erstellt wurden, ein unzulässiger Druck auf den Arbeitnehmer ausgehe.

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Denn es bedarf im umgekehrten Fall keiner großen Vorstellungskraft, um sich die Verteidigungsstrategie eines Arbeitnehmers auszumalen, der sich darauf verlassen kann, dass sich kein Richter rechtswidrig gefertigte Videoaufnahmen ansehen wird.

Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG Köln, Urteil vom 18.11.2010, 6 Sa 817/10 – Rn 38 – noch nicht rechtskräftig / Revision BAG – 2 AZR 153/11) verneint – wie selbstverständlich – unter Hinweis auf BAG, Urteil vom 27.03.2003, 2 AZR 51/02 ein Beweisverwertungsverbot (wobei sich das Bundesarbeitsgericht in seiner 2003er Entscheidung ausdrücklich nicht mit dem erst zum 19.05.2001 in das Bundesdatenschutzgesetz eingefügten § 6b BDSG auseinandergesetzt hatte).

Als Fazit ist festzuhalten, dass von den unteren Instanzen teilweise in § 6b BDSG ein Beweisverwertungsverbot hineingelesen wird und dass dazu eine Entscheidung des Bundesarbeitsgericht noch aussteht. Es bleibt somit zunächst abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zum Beweisverwertungsverbot gemäß § 6 BDSG weiter entwickelt.

update 22.03.2012 :

Zwischenzeitlich ist das Verfahren BAG – 2 AZR 153/11, LAG Köln 6 Sa 817/10 durch einen für die Klägerin widerruflichen Vergleich vorerst beendet worden. Die Frage, ob bei heimlichen Videoaufnahmen aus § 6b BDSG ein Beweisverwertungsverbot folgt, ist damit unbeantwortet geblieben. (Quelle: Pressemitteilung BAG, Nr.26/12)

update 21.06.2012:

Der Vergleich wurde widerufen. Das Bundesarbeitsgericht hat daraufhin das Urteil des LAG Köln aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. (Quelle: Pressemitteilung BAG, Nr.42/12)

.

Rechtsanwalt Harald Beiler, Hamburg

Beiler Karl Platzbecker