Aufhebungsvertrag – Rücktritt in der Insolvenz wegen nicht gezahlter Abfindung?

Rücktritt vom Aufhebungsvertrag – Insolvenz

Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem Aufhebungsvertrag zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, liegt damit regelmäßig ein gegenseitiger Vertrag vor.

Denn der Arbeitgeber zahlt die Abfindung als Gegenleistung für die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Folglich kann der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber die Abfindung nicht zahlt, nach fruchtloser Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 1 BGB vom Aufhebungsvertrag zurücktreten. Ein Rücktritt vom Aufhebungsvertrag scheidet allerdings aus, wenn das Rücktrittsrecht ausdrücklich oder stillschweigend ausgeschlossen worden ist.

Ferner besteht in einem laufenden Insolvenzverfahren kein Rücktrittsrecht, wie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.11.2011 – 6 AZR 357/10 – festgestellt hat. Das Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB setzt nämlich die Durchsetzbarkeit der Forderung voraus. Daran fehlt es, wenn der Gemeinschuldner (der insolvente Arbeitgeber) nicht leisten muss oder nicht leisten darf.

Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der im August 1950 geborene Kläger war seit Oktober 1973 bei der Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der am 01.10.2007 geschlossene Aufhebungsvertrag sah zum einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2008 und zum anderen eine Abfindung iHv. 110.500,00 Euro für den Verlust des Arbeitsplatzes vor, die mit der Vergütung für Dezember 2008 zu zahlen war. Am 05. 12.2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 08.12. 2008 den Beklagten zu 1. zum vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete zugleich an, dass Verfügungen der Schuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des Beklagten zu 1. wirksam sind. Am 16.12.2008 forderte der Kläger die Schuldnerin erfolglos schriftlich zur fristgerechten Zahlung der Abfindung auf und übersandte dem Beklagten zu 1. eine Kopie des Schreibens. Nachdem er von der Schuldnerin nochmals ohne Erfolg die Zahlung der Abfindung bis spätestens 16.01.2009 verlangt hatte, erklärte der Kläger am 19.01.2009 schriftlich seinen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag.
Am 01.03.2009 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit seiner Klage wollte der Kläger feststellen lassen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Aufhebungsvereinbarung vom 01.10 2007 zum 31.12.2008 beendet worden ist und weiterhin die Beklagte zu 2. aufgrund eines Betriebsübergangs zum 22.04.2009 in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten ist.

Beide Vorinstanzen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2010 – 12 Sa 962/09) haben der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat es anders gesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Arbeitsverhältnis des Klägers habe aufgrund des Aufhebungsvertrages mit Ablauf des 31.12.2008 geendet, weil der Kläger nicht mehr wirksam vom Aufhebungsvertrag zurücktreten konnte. Die Voraussetzungen für einen Rücktritt hätten am 16. Januar 2009 nicht vorgelegen. Sein Abfindungsanspruch war zu diesem Zeitpunkt nicht durchsetzbar. Die Schuldnerin habe aufgrund der Anordnung des Insolvenzgerichts die Abfindung nicht ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters zahlen dürfen. Und hätte die Schuldnerin bei hypothetischer Betrachtung die Abfindung gezahlt, so hätte der Kläger die Abfindung nach § 143 Abs. 1 InsO wegen Anfechtbarkeit der Abfindungszahlung an die Insolvenzmasse erstatten müssen. Denn gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger in Kenntnis des Eröffnungsantrages eine Befriedigung gewährt, aber erst nach dem Eröffnungsantrag erfolgte (so genannte dolo-petit-Einrede).