Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber zum Amt des Betriebsrats – Rechtsmissbrauch?

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Wahlbewerber zum Amt des Betriebsrats haben Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Der Sonderkündigungsschutz endet mit Bekanntgabe des Ergebnisses der Betriebsratswahl. Doch wann beginnt der Sonderkündigungsschutz und ist es rechtsmissbräuchlich, wenn sich ein Arbeitnehmer auf den Sonderkündigungsschutz berufen möchte?

Mit Urteil vom 07.07.2011 – 2 AZR 377/10 – und Urteil vom 19.04.2011 – 2 AZR 299/11 – hat das Bundesarbeitsgericht zum Beginn des Sonderkündigungsschutzes Stellung genommen: Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, die Betriebsratswahlen zu schützen. Ein Kandidat soll nicht aus Furcht vor einer Kündigung von seiner Kandidatur abgehalten werden. Deshalb müsse der temporär gewährte Kündigungsschutz möglichst früh beginnen. Der Sonderkündigungsschutz für Wahlbewerber setzt voraus, dass ein Wahlvorstand bestellt worden ist und dass ein gültiger Wahlvorschlag mit dem Namen des Kandidaten erstellt ist. Der Wahlvorschlag muss ferner die jeweils erforderliche Anzahl von Stützunterschriften haben (mindestens drei, je nach Größe des Unternehmens auch mehr). Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingegangen sein muss. Dieses würde beispielsweise Arbeitnehmer im Außendienst benachteiligen.

Ferner beginnt die Frist für das Einreichen von Wahlvorschlägen einen Tag nach Aushang des Wahlausschreibens, § 6 Abs. 1 WO. Wird – wie in den beiden vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen – ein Wahlvorschlag bereits vor Beginn dieser Frist erstellt, so ist er nicht ohne Weiteres unwirksam. Für den Sonderkündigungsschutz reicht es aus, dass die „greifbare Möglichkeit“ der Wahl zum Betriebsrat besteht. Einem eventuellen Rechtsmissbrauch seitens der Arbeitnehmer wird zumindest insoweit vorgebeugt, als dass ein Wahlvorstand bereits bestellt worden sein muss.

Kein Rechtsmissbrauch

Danach hat es ein Arbeitnehmer bis zur Grenze des Rechtsmissbrauch in der Hand, in einem laufenden Wahlverfahren mit seiner Kandidatur auf die Schnelle Sonderkündigungsschutz zu erwerben und Kündigungsabsichten des Arbeitgebers zu durchkreuzen. Wurde zum Zeitpunkt der Erstellung des Wahlvorschlages, bereits der Betriebsrat zu einer geplanten betriebsbedingten Kündigung gehört, so macht dieses ein Berufen auf den Sonderkündigungsschutz nicht rechtsmissbräuchlich, wenn dieser noch vor dem Zugang der Kündigung begonnen hatte (BAG, Urteil vom 19.04.2012 – 2 AZR 299/11 – Rn 18). In dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 07.07.2011 entschiedenen Fall (2 AZR 377/10 – Rn 35ff.) sind zeitgleich per Post die Kündigung beim Arbeitnehmer und der Wahlvorschlag beim Wahlvorstand eingegangen, wobei die Frist zum Einreichen der Wahlvorschläge (§ 6 Abs. 1 WO) erst während der Postlaufzeit begann – der Wahlvorschlag also vorfristig war und obendrein der Wahlbewerber beim Zugang der Kündigung noch in den ersten 6 Monate der Beschäftigung war (wählbar sind nur Bewerber, die zum Zeitpunkt der Wahl schon länger als 6 Monate im Unternehmen sind).

Rechtsanwalt Harald Beiler

Beiler Karl Platzbecker – Hamburg