Keine Abkürzung von gesetzlichen Kündigungsfristen

Mit arbeitsvertraglichen Regelungen können keine gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 622 BGB) abgekürzt werden. Das ist die Kernaussage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.2015 (BAG, Urteil vom 29.01.2015, 2 AZR 280/14 ).

Welche Kündigungsregelung gilt demnach – die gesetzliche oder die vertragliche? Es kommt darauf an!

Nicht jede arbeitsvertragliche Regelung zu Kündigungsfristen ist unwirksam. Kündigungsfristen können im Arbeitsvertrag durchaus (unter Beachtung gewisser Standards) verlängert werden. Das ist gängige Praxis. Andererseits sieht das Gesetz keine statischen Kündigungsfristen vor. Die gesetzliche Kündigungsfrist verlängert sich für den Arbeitgeber mit zunehmender Dauer des Arbeitsverhältnisses. Beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist in der Probezeit nur kurze 2 Wochen, so hat der Arbeitgeber nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit eine Kündigungsfrist von 7 Monaten zu beachten.

Ist im Arbeitsvertrag eine bestimmte Kündigungsfrist vereinbart, muss sie sich an der variablen Kündigungsfrist des § 622 BGB messen lassen. Die vertragliche Kündigungsfrist kann je nach vertraglicher Ausgestaltung anfangs noch wirksam (weil länger) sein und später unwirksam werden, wenn sie von der gesetzlichen Kündigungsfrist überholt wird. Es kommt diejenige Kündigungsfrist zur Anwendung, die bei Ausspruch der Kündigung für den Arbeitnehmer günstiger ist.

Damit nicht genug. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei einer vertraglich fixierten Kündigungsregelung auf das Zusammenwirken von Kündigungsfrist und Kündigungstermin an. Im entschiedenen Fall war vertraglich geregelt, dass mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende des Halbjahres oder Jahresende gekündigt werden kann. Will also der Arbeitgeber im Januar kündigen, sind es bis zum Halbjahresende keine vollen 6 Monate mehr. Nächster Kündigungstermin ist daher das Jahresende. Bis dahin wären es noch mehr als 11 Monate. Die effektive Kündigungsfrist beträgt daher im Januar ganze 11 Monate und ist länger als die gesetzliche Kündigungsfrist (im entschiedenen Fall waren es nach mehr als 20 Jahren Betriebszugehörigkeit 7 Monate).  Soll dagegen nicht erst im Januar sondern noch im Dezember gekündigt werden, wäre bereits das Halbjahresende der nächste Kündigungstermin. Bis dahin wären im Dezember noch 6 Monate Zeit – wie es der Arbeitsvertrag vorsieht – aber eben keine vollen 7 Monate mehr, wie es das Gesetz vorschreibt.

Das Bundesarbeitsgericht löst den Konflikt der widerstreitenden Kündigungsfristen mit einem Günstigkeitsvergleich. Je nach dem zu welcher Jahreszeit gekündigt wird, kommt entweder die gesetzliche oder die vertragliche Regelung zum Tragen (BAG, Urteil vom 29.01.2015, 2 AZR 280/14 – Rn 22).

In dieser Konstellation würde es bei dem Wechselspiel von gesetzlicher und vertraglicher Kündigungsfrist bleiben. Denn das Gesetz kennt für Arbeitsverträge keine längeren Kündigungsfristen als 7 Monate. Die gesetzliche Kündigungsfrist könnte somit die vertragliche Frist nie endgültig überholen.

Rechtsanwalt Beiler

Beiler Karl Platzbecker /Hamburg