Ohne Gegenleistung kein Verzicht auf Kündigungsschutz

 

Im Urteil vom 24.09.2015 hat sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Arbeitnehmer wirksam auf die Geltendmachung von Kündigungsschutz verzichtet (BAG, Urteil vom 24.09.2015, 2 AZR 347/14).

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer der einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist und dem der Arbeitgeber ohne vorherige Zustimmung der zuständigen Behörde das Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Allerdings hatten beide Seiten nach Ausspruch der Kündigung eine Abwicklungsvereinbarung unterzeichnet. Darin verzichtet der Arbeitnehmer auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und der Arbeitgeber hat als "Gegenleistung" ein überdurchschnittliches Zeugnis zugesagt.

Der Verzicht war entsprechend den Regeln zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam.

Im Arbeitsrecht sind vom Arbeitgeber vorformulierte Klauseln auch dann als AGBs zu überprüfen, wenn die betreffende Regelung nur für den Einzelfall gelten sollte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Arbeitnehmer als Verbraucher (§ 13 BGB) zu sehen. Die Arbeitsgerichte prüfen daher, ob

  • mit vorformulierten Klauseln von gesetzlichen Regeln abgewichen wird und
  • der andere Teil dadurch unangemessen benachteiligt wird.

Das Bundesarbeitsgericht ist im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gekommen, dass mit dem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage von einer gesetzlichen Regelung abgewichen wird. Denn – so das Bundesarbeitsgericht – die Ausschlussfrist in § 4 Kündigungsschutzgesetz (3-Wochenfrist) schützt Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Der Arbeitgeber kann sich darauf verlassen, dass nach Ablauf von drei Wochen keine wirksame Kündigungsschutzklage mehr erhoben werden kann. Umgekehrt ist aber auch der Arbeitnehmer darin geschützt, dass er mindestens drei Wochen Zeit hat, zu entscheiden, ob er eine Kündigungsschutzklage erheben möchte oder nicht.

Weil von der so zu verstehenden gesetzlichen Regelung abgewichen wurde, kam es darauf an, ob der Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt wird. Nicht jeder Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist unangemessen und damit unwirksam. Bekommt der Arbeitnehmer für seinen Verzicht eine angemessene Gegenleistung, kann eine solche Regelung durchaus angemessen und wirksam sein.

Hier ist dem Arbeitnehmer ein „überdurchschnittliches“ Arbeitszeugnis versprochen worden. Mit dem Arbeitszeugnis erfüllt der Arbeitgeber jedoch nur eine ohnehin bestehende Verpflichtung – und das Zeugnis muss wahrheitsgemäß sein. Anderenfalls würden Dritte (zukünftige Arbeitgeber, Mitbewerber etc.) benachteiligt werden. Aus diesem Grund hatte im vorliegenden Fall der Arbeitgeber keine angemessene (also werthaltige) Gegenleistung zugesagt.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist vor dem Hintergrund ergangen, dass die Unwirksamkeit der Kündigung offenkundig war. Die vorherige Zustimmung der Behörde ist eine notwendige Bedingung für die Kündigung eines Schwerbehinderten / Gleichgestellten. Die Entscheidung lässt sich jedoch auch auf Fälle übertragen, in denen die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage ungewiss sind und liegt ganz auf der Linie früherer Entscheidungen zum Klageverzicht des Arbeitnehmers.