Kündigung bei langandauernder Krankheit

Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits mehrfach Gelegenheit sich zum Umfang der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung zu äußern (vgl.  zu häufigen Kurzerkrankungen).

Für den Fall einer einzigen – also durchgängigen –  lang andauernden  Krankheit hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr seine Rechtsprechung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) bestätigt (BAG, Urteil vom 13.05.2015, 2 AZR 565/14). Auch nach einer langandauernden Krankheit ist der Arbeitgeber stets verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen (BAG, a.a.O. Rn. 25), unterbleibt es, so ist eine krankheitsbedingte Kündigung nicht gänzlich ausgeschlossen, der Arbeitgeber hat jedoch eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast (BAG, a.a.O. Rn. 27).

Im betreffenden Urteil vom 13.05.2015 hat das Bundesarbeitsgericht weiterhin seine Rechtsprechung zur lang andauernden Krankheit fortgeführt. Eine Kündigung ist in solcherlei Fällen –  vorbehaltlich einer Interessenabwägung – nur dann sozial gerechtfertigt, wenn bei Ausspruch der Kündigung für die nächsten 24 Monate die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist. Ist die Arbeitsunfähigkeit für mehr als 24 Monate ungewiss, kann von erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen ausgegangen werden.

Im entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer bereits seit über 20 Monaten durchgängig arbeitsunfähig krank gewesen und hat dann für den Zeitraum von weiteren 23 Monaten eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit bewilligt bekommen. Für eine krankheitsbedingte Kündigung war das allerdings nicht ausreichend, die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen worden.

Mit der Rentenbewilligung – so das Bundesarbeitsgericht – sei noch nichts über die Arbeitsunfähigkeit gesagt; die Erwerbsunfähigkeit und die Arbeitsunfähigkeit hätten unterschiedliche Voraussetzungen. Von dem einen könne nicht ohne Weiteres auf das andere geschlossen werden. Im Übrigen sei die Rente – gerechnet ab dem Kündigungszeitpunkt –  für 23 Monate bewilligt worden. Daher ist unklar, was für den 24ten Monat zu erwarten sei. Und weil die Wiedererlangung nicht für volle 24 Monate völlig ungewiss war, lagen (noch) keine erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen vor.

Zum Hintergrund der Entscheidung:

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie schwer es ein Arbeitgeber hat, erhebliche Beeinträchtigungen des Betriebes durch die Krankheit eines Arbeitnehmers nachzuweisen. Lohnfortzahlungen fallen bei langanhaltender Krankheit nur einmal an, also nicht sonderlich ins Gewicht. Gleiches gilt für die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers. Sie entstehen zwar auch während der Krankheit, verfallen aber auch  innerhalb von 15 Monaten nach Ende des Kalenderjahres (BAG, a.a.O. Rn. 22). Was bleibt ist die Notwendigkeit, den kranken Arbeitnehmer durch eine Ersatzkraft zu ersetzen. Hier hat der Arbeitgeber immerhin die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis der Ersatzkraft in den ersten zwei Jahren frei zu befristen (BAG, a.a.O. Rn. 18). Daher beginnen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht typischer Weise erst nach nach diesen 2 Jahren /24 Monaten die erheblichen Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs. Ist im Vorwege der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement unterblieben, muss der Arbeitgeber dieses im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens in all seinen Facetten "nachholen" bzw. er muss nachweisen, dass es von vornherein nutzlos gewesen wäre (BAG, a.a.O. Rn. 28). Selbst wenn sich der Mitarbeiter geweigert hat, mitzuwirken, wird ein solcher Nachweis nur in Ausnahmefällen gelingen.

 

Rechtsanwalt Beiler

Beiler Karl Platzbecker /Hamburg